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4. November – 17. Dezember 2022 (verlängert bis 4. Februar 2023)
Kleine Galerie des Halleschen Kunstvereins
Zur Ausstellung
Jürgen Raiber sagt zu über seine Kunst: „Meine Subjektivität ist der Motor zum Arbeiten. In meinen künstlerischen Arbeiten manifestiert sich meine Lebenswelt, in der ich arbeite und lebe. Künstlerische Arbeit ist für mich die Form zu leben, d.h. das Leben zu bewältigen, ein Prozess der Selbstfindung, Kunst als Lebensgefühl“.
Dieses besondere Lebensgefühl kommt in den Werken von Jürgen Raiber – ob aus Holz, Stein oder auf Papier – auf sehr unterschiedliche Weise zum Ausdruck. Raiber studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Prof. Rolf Kuhrt. Er arbeitete während seines Kunststudiums ausschließlich zeichnend und in den Techniken Holzschnitt und Radierung mit der menschlichen Figur in ihrem natürlichen und sozialen Umfeld. In unserer Ausstellung wird dies am Beginn im Raum 1 sehr deutlich.
Die Meisterschülerzeit bei Prof. Werner Tübke 1988/91 diente der weiteren Intensivierung seiner zeichnerischen Auseinandersetzung mit Gestalt und Physiognomie des Menschen.
Raiber absolvierte dann ab 1997 an der Hochschule für Kunst und Design in Halle ein Aufbaustudium der Bildhauerei bei Prof. Bernd Göbel und beschäftigte sich neben Keramik und Stein vorrangig mit Holzskulpturen. Seither entstehen figürliche Arbeiten in Ton, Stein, Holz sowie Skulpturen auch für den öffentlichen Raum, für Museen und Privatbesitz.
Inzwischen hat er die klassische Bildhauerei erweitert, Objekte gebaut, schafft Material-Kombinationen und Collagen im spielerischen Umgang mit den Details. Er arbeitet parallel in mehreren Techniken und Genres.
Als ich Jürgen Raiber im Frühjahr besuchte, habe ich sein Haus, seine Werkstatt und seinen Garten als ein einziges großes Atelier, als eine große Ausstellung empfunden, in denen Arbeiten in den verschiedensten Stadien der Fertigstellung und der Materialien herumstanden, lagen und hingen. Skulpturen, flüchtige Skizzen, Angefangenes, gebrauchtes Holz in Regalen, Zeichenschränke zum Platzen mit Mappen gefüllt, Bilder in Rahmen und ohne dicht an dicht, dazwischen Plastiken, Puppen und, und, und… Das habe ich als eine große Inspiration empfunden – sowohl für den Besucher als mit Sicherheit auch für den Künstler.
Dann das Haus; der große für uns gedeckte Tisch mit einem Kuchen, mit dem riesigen friedlichen Hund darunter, die Familie in ihrer Quirligkeit und Harmonie, auch das alles strahlt aus. An Raibers Werken ist deutlich zu sehen, dass die Familie einen großen Stellenwert einnimmt. Das zeigt sich in Familienbildern, in Kinderporträts und da sind immer wieder Paare und Gruppen.
Sein Umfeld ist wohl Raibers größte Inspiration.
Grafik und Skulptur bestimmen nun das Werk von Jürgen Raiber. An der Schwelle seines künstlerischen Tuns stand die Grafik. Während seines Studiums an der Hochschule in Leipzig und in dem anschließenden Meisterschülerstudium setzte er sich intensiv mit der Zeichnung, der Radierung und dem Holzschnitt auseinander. War es anfangs das prägende, einander beeinflussende Verhältnis von Mensch und Milieu, welches ihn faszinierte, löste sich mit der Hinwendung zur Skulptur diese Symbiose auf.
Er schuf Figuren, deren Körpergestus und Physiognomie nie pathetisch werden, sondern oft ironisch-distanziert oder liebenswert-humorvoll gebrochen sind. In seinen grafischen Arbeiten erweist sich Jürgen Raiber als ein Holzschneider, der sein Material mit Kraft, Vitalität und Expressivität bearbeitet.
Jürgen Raiber über sich, seine Inspirationen und seine Arbeitsweise (28.02.2022): „In der Annäherung an gegenständliche Spektren suche ich nach Möglichkeiten der Befreiung von festgelegten Strukturen – ein Arbeitsprozess im Wechsel zwischen Realität und Erfindung, Unterbewusstem und Bewusstem, es geht um Spannung zwischen Psyche und Körperlichkeit. Retrospektiv betrachtet verläuft dieser Arbeitsprozess linear. Zufälliges, Spontanes spielen eine Rolle, persönliche Widerfahrnisse wie Unfall, Tod von Angehörigen, Veränderungen, Entdeckungen bedingen wechselnde Arbeitsweisen, deren Ergebnisse bedienen verschiedene Assoziationsebenen.
Die Magie von altem Spielzeug und alten Kasperpuppen führt zur Übernahme in die Kunst, sozusagen transformierte Transformation, ein Dialog mit einem Medium, Meditation und Beschwörung. Es entsteht „Spielzeug", das ich mir selbst schaffe, Figuren montiert aus Arbeitsresten und verschiedenen nutzlosen Gegenständen, patiniert durch Arbeitsspuren. Meterlange hölzerne Gesichter, mit der Kettensäge gearbeitet, werden als Druckstöcke genutzt. Torsi, Köpfe, hölzerne Figuren werden in die Grafik und Malerei übernommen, Bilder im lebensbejahenden Dunkel, alte Drucke werden übermalt, vielsprachiges Schwarz, der Wechsel von Plastischem und Malerischem auf Leinwand und Papier.
Kategorien wie Vergänglichkeit, Leben und Tod bestimmen oft meine Arbeit und werden zu menschlichem Maß in einer Alltagswelt, die Wunder nicht ausschließt. Täglich neu vom eigenen Anspruch getrieben, ist die Arbeit für mich ein fortwährender Versuch der Selbstvergewisserung.“
So schließt sich der Kreis zum Titel der Ausstellung:
Täglich neu – vom eigenen Anspruch getrieben
Ein fortwährender Versuch – der Selbstvergewisserung ist für die Arbeit
Früh bis Spät
Gabi Klatte, 04.11.2022
Über Jürgen Raiber
- 1957 geboren in Nordhausen am Harz
- 1983 bis 1988 Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Diplom
- 1988 bis 1991 Meisterschüler von Prof. Werner Tübke, vorrangig Zeichnung, Radierung, Holzschnitt
- seit 1990 Mitglied des Holzschneiderverbandes XYLON, deutsche Sektion
- 1998 bis 2001 Aufbaustudium für Bildhauerei an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle/Saale
- seither figürliche Arbeiten in Ton, Stein, Holz sowie Skulpturen/Plastiken
- lebt und arbeitet in Rötha bei Leipzig, OT Mölbis
Plakat/Faltblatt: Lutz Grumbach
Fotos: Karola Waterstraat