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Ehrenzeichen zum Halleschen Kunstpreis 2019, Bronze. Entwurf Prof. Bernd Göbel
Laudatio anlässlich der Preisverleihung
Laudator: Jens Gussek
lche Batman, the great below, Gerhard, Pow? Superhelden haben Konjunktur in Zeiten, in denen eine mehr oder weniger definierbare Bedrohung die Welt bestimmt. In Zeiten, in denen man sich einen Retter herbeisehnt, der das Böse bekämpft und die Dinge wieder ordnet. Betrachtet man die Verkaufszahlen dieses Genres, so scheinen wir gerade jetzt in einer äußerst unsicheren Zeit zu leben, da es praktisch eine Superheldenschwemme gibt, bei der ich persönlich den Überblick verloren habe.
Und natürlich sind auch Künstler Seismographen der Zeit und so verwundert es nicht, dass die oberflächlich betrachtet leichte Kost des Superheldencomics Eingang in die Bildwelt der Malerei findet. Denn das, was da scheinbar so humorig populär daherkommt, bedient nicht einfach nur einen Trend, sondern legt diesen auch inhaltlich offen. Sebastian Herzau wählt dafür einen speziellen Helden, Batman, und er arbeitet sich an ihm in ganzen Serien ab, mal genutzt als Accessoires im Alltag und dann auch in der Verkürzung als ikonographische Maske. Ich beginne meine Ausführungen explizit damit, weil man an Batman beispielhaft Herzaus Schaffen beleuchten kann.
Herzau ist Maler, nicht nur weil er Pinsel und Farben verwendet, nicht nur, weil er mit Leichtigkeit malen kann, woran andere verzweifeln. Malen ist für Herzau eine innere Notwendigkeit, eine wahre Passion, die ihn gewissermaßen auch zu einem Getriebenen macht, da NICHT malen eigentlich keine Option ist. Damit war und ist er nicht alleine und dieses Wissen begleitet ihn, wie auch das Wissen über die Welt der Malerei. Und ihn begleitet die Frage, die eben alle Maler begleitet – macht es noch Sinn weitere Bilder dieser an Bildern nicht gerade mangelnden Welt hinzuzufügen. Er beantwortet das ganz klar, ja, es macht Sinn, für ihn persönlich und für diesen und jenen, der Zugang zu Herzaus Welt findet. Und Herzau tut das mit ernsthafter Leichtigkeit, mit subtiler Tiefe.
Die Kunst in Deutschland wird oft am leichtesten dann anerkannt, wenn sie seriös und scheinbar gehaltvoll auftritt. Humor oder gar ein verschmitztes Augenzwinkern dagegen wird gerne verrissen oder leichtfertig abgetan. Aber Herzau hat Humor und er hat auch Spaß, auch beim Arbeiten und er sieht auch gar nicht ein, weshalb er das verbergen sollte. Damit überdeckt er ja auch nicht die Realität. Und ernsthaft zu sein heißt ja nun noch lange nicht staubtrocken oder gemaltes Weltelend oder 5 Seiten Erklärungstext neben dem Bild.
Und so arbeitet sich Herzau in den Batmanmasken an der Thematik ab und an dem, was Malerei seit der Moderne gerne tut, er arbeitet sich am Medium selbst ab, an den Verbündeten im Geiste und an der Farbe an sich. Und in dem Sinne steht er in einer langen Tradition und ist froh darüber, weil man, wenn man immerzu malen will, auch immerzu etwas braucht, was man malen will und kann. So stößt man halt zwangsläufig auf Künstler, die man mag und vielleicht sogar bewundert, aber das ändert nichts daran, dass es diese kritisch zu befragen gilt. Und eine Annäherung kann auch nur dann erfolgen, wenn man sich tatsächlich nähert, sich in das Universum eines anderen begibt und sich dort umschaut mit dem tradierten Satz im Kopf – Kunst kommt von Kunst.
So sind wir bei Gerhard Richter, der natürlich eine Rolle spielt. Es ist schon zu viel über Richter geschrieben worden, um seine Rolle in der zeitgenössischen Kunst zu manifestieren, was vielleicht auch alles richtig ist oder eben einfach nur eine markttechnische Notwendigkeit, um enorme Preise zu rechtfertigen. Richter ist ein toller Maler, ohne Frage, aber er ist eben auch nur ein Maler, der immer wieder vor der weißen Leinwand steht, und den ersten Pinselstrich setzen muss. Und so saß er vielleicht über Jahre morgens am Frühstückstisch mit Kaffee und Zeitung und Schere und der Frage, was male ich denn heute, und dann fand er wieder einen Artikel mit einer Abbildung und sagte sich, das hier male ich heute.
Und irgendwann nach Jahren hatte er möglicherweise einfach die Nase voll davon und dann kippte er ganz viel bunte Farbe auf die Leinwand, denn Farbe war dann doch das, was er bei all der Schwarz-Weiß-Malerei vermisst hatte, verwischte hin und her, und so begann vielleicht die abstrakte Phase wesentlich banaler, als es beschrieben wird.
Den 48 Portraits männlicher, weißer, berühmter Männer, die Richter für den deutschen Pavillon der Venedig Biennale 1972 malte, stellt Herzau 48 Baguettes gegenüber, in gleichem Format, Farbgebung, Lichtführung etc. Herzau lässt dem Baguette die gleiche Aufmerksamkeit zukommen wie Richter den Portraits. Nur ist Herzaus Ansatz ein betont vergnügter Kommentar, zu Richter und vielleicht auch zu arg inhaltsschweren Interpretationen.
Dem gegenüber hängt Herzau ein Porträt Richters, gemalt in der Manier Richters. Ist das Arroganz, ist das eine ehrliche Offenbarung die sagt, ja Leute, Richter interessiert mich oder ist das der Beginn einer Serie zu Maler und Werk? Ich möchte nicht jeden Aspekt aus Herzaus Schaffen beleuchten. Nur auf eine Thematik will ich noch eingehen, auf die Landschaft. Landschaft. Das Wort ist im Deutschen eine Katastrophe, an Biederkeit kaum zu übertreffen. Mannschaft, Bereitschaft, Burschenschaft, Landschaft.
Irgendwie kann man dieses Wort nicht unkommentiert stehen lassen. Landschaft ist wichtig für Herzau, auch wenn in dieser Ausstellung hier nur zwei Landschaftsbilder zu sehen sind – weitere Landschaften sind in der Parallelausstellung in der Galerie Nord zu betrachten. Landschaft ist für Herzau eine Art malerischer Rückzugsort. Landschaft ist einfach da und sie bedarf keiner Erklärung. Sie will auch gar nicht mehr sein als einfach Landschaft – ein Vordergrund, ein Horizont, der alles hält, manchmal auch unser Leben, der uns Trost spendet und je nach dem Sehnsucht, Hoffnung oder totale Entspannung ist und dann kommt Himmel dazu. Ich möchte über eine Landschaft sprechen, die hier in der Ausstellung nicht zu sehen ist, weil sie bei mir zu Hause hängt. Ich liebe dieses Bild. Ein Sommerregen zieht über ein Feld, im Hintergrund ein paar Hecken und Bäume und ein Himmel der sich auf das Land ergießt.
Vielleicht erinnern sich noch einige an ein Bild von Nuria Quevedo auf der 9. Kunstausstellung in Dresden, welches hieß: Eine Art den Regen zu beschreiben. Für Hans Eisler. Für mich hatte das Bild nie den Regen beschrieben, eher so einen tristen DDR-Alltag, aber der Titel hat mich nie verlassen. Herzaus Bild würde diesen Titel verdienen, weil er dort den Regen tatsächlich eingefangen hat, die Landschaft gefühlt hat und man selbst glaubt, beim Betrachten des Bildes die Szenerie riechen zu können. Die Farbe ist auf die Leinwand geworfen, der Pinsel hat sich ohne zu zögern bewegt und einen Moment eingefangen, der mich fortlaufend berührt und mir das Herz öffnet. Ein größeres Kompliment kann ich einem Maler nicht aussprechen.
Ich habe Herzau bereits dreimal eingeladen, mit meinen Studierenden von der Hochschule Koblenz bei einem Landschaftsworkshop in Strodehne an der Havel als Dozent zu wirken. Herzau ist kein Pädagoge im klassischen Sinne und trotzdem ist er ein ganz wunderbarer Lehrer, eigentlich ein Phänomen. Er kommt an, baut seine Staffelei auf, legt Pinsel und Farbe hin und beginnt die erste Leinwand. Und manchmal ist am Abend schon ein Bild fertig. Und so geht das die ganze Woche und so erzeugt er ein positives Energiefeld, in dem man im Prinzip nichts anderes tun kann, als ebenfalls zu arbeiten. Natürlich ist er auch ein angenehmer Zeitgenosse und er spricht auch ein paar Worte, aber ich bin mir fast sicher, es würde auch ohne Worte funktionieren. Ich freue mich schon auf den nächsten Workshop mit ihm.
Nun, was gebe es noch zu sagen. Ich beglückwünsche den Kunstverein zu diesem Preisträger und natürlich beglückwünsche ich Sebastian Herzau zu diesem Preis. Finde ich gut.
lche Batman, the great below, Gerhard, Pow?
- 1980 geboren in Schönebeck
- 2007–2012 Studium der Malerei an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein bei Professorin Ute Pleuger
- 2012 Diplom Bildende Kunst, Malerei und Grafik
- lebt und arbeitet in Halle (Saale) und Magdeburg
Fotos: Jürgen Domes